DIE WOCHE vom xxx.1993

Symbiose Kunst und Fabrikation

Keramik-Symposium


Kunstvermittlung ist ganz und gar nicht ein Geschäft wie jedes andere. Der Beweis wird wieder einmal mehr von Hawke und Brigitte Knyrim (...) angetreten. Sie haben das 2. Oberpfälzer Keramik-Symposium organisiert, an dem international renommierte Künstlerinnen und Künstler der Keramik-Kunst teilnehmen. Auch für etwas anderes ist das Symposium, dessen künstlerische Ergebnisse im November in einer großen Ausstellung im Salzstadl zu sehen sind, beispielhaft: für eine gelungene Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, das im angewandten Bereich denselben Werkstoff verwendet wie die Keramik-Kunst, die Ponholzer Ton- und Schamotte-Werke.

Die Ponholzer Ton- und Schamotte-Werke gehören zu den deutschen Groß-Produzenten von Abfluss- und Kaminrohren. Das meist aus eigenen Tongruben geförderte Ausgangsmaterial wird unter modernstem Maschineneinsatz zu Rohren geformt und in einem riesigen Tunnelofen gebrannt. Rohre von verblüffender Maßgenauigkeit verlassen das Werksgelände. Bei dem ganzen Produktionsvorgang ist nichts dem Zufall überlassen. Erfahrung und ein Kontrollsystem, dem vom Material bis zum fertigen Produkt alles unterliegt, sorgen für gleichbleibend hohen Qualitätsstandard.

Hier, so sollte man meinen, würden Künstler mit ihrer Lust am Experiment und ihrer Freude am Risiko zu ungewöhnlichen Formen und extraordinärer Farbgebung nur als störend empfunden. In den Ton- und Schamotte-Werken Ponholz war dem nicht so. Die Künstler und Künstlerinnen fanden bei den Handwerkern ihr erstes, äußerst interessiertes Publikum. Und die Künstler und Künstlerinnen konnten so manches Fachgespräch über die Eigenschaften von Ton und sein Verhalten im Brennofen mit den Praktikern führen. Handwerk und Kunst können sich ergänzen. Gesteigertes Selbstwertgefühl und gegenseitige Achtung sind das immaterielle Ergebnis.

Großzügige Arbeitsbedingungen wurden den Künstlern und Künstlerinnen im Werk geboten. Material zum Gestalten, ungebrannter Ton in Röhrenform, war der Kunst zur Verfügung gestellt worden. Ebenso wurde eine Werkhalle zum Symposiums-Atelier umfunktioniert. Auch die Werkstätten des Unternehmens halfen unkompliziert, so manches technische Problem rasch zu lösen. Hawke Knyrim und die Künstlerinnen und Künstler des Symposiums sind voll des Lobes, nicht zuletzt, weil sie ihren Arbeiten keine Größenbeschränkungen auferlegen müssen. Sie können ihre Stücke im gewaltigen Tunnelofen des Werks brennen lassen. Dieser für Künstler so spannende Moment steht noch bevor. Halten die Formen, die Verbindungen mit anderen Materialien? Werden sich die Farben nach dem Brennvorgang auch in den gewollten Nuancen präsentieren?

Prominentester Teilnehmer des Symposiums ist wohl Professor Klaus Schultze, dessen Tätigkeit an der Münchener Akademie es zur verdanken ist, dass Keramik als künstlerisches Ausdrucksmittel in Bayern an Bedeutung wesentlich zugenommen hat. Er gestaltete das Ausgangsmaterial Rohre zu Bogenelementen. Heiner Wein boten sich die Rohre für neue Variationen in seiner Köpfe-Serie an. Karin Mann schnitt die Rohre auf, um die Platten ineinander zu stecken und flächige Turmgebilde zu schaffen. Petra Stastna aus Prag nutzte die unbeschränkte Materialfülle zur Gestaltung überdimensionaler Körperformen, während Angela Stösser aus Regenstauf ihre abstrahierten anthromorphen Brunnen-Stelen schuf. Der Slowake Michael Skoda produzierte im Kapselbrandverfahren stein- und eisenförmige Gebilde. Nika Haug formte seltsame Körper, die wie riesige Bohnen und Kerne wirken. Und schließlich Hawke Knyrim selbst geht mit geschlickerter Pappe in einem Tonrahmen mit Stegen ein hohes Material-Risiko ein. Wenn beim Brand alles gutgeht, die Pappe ausglüht und die Tonwaben stehenbleiben, dann bieten sich dem Betrachter urtümliche menschliche Proportionen.

Unabhängig davon, wie sich die Kunstwerke nach der Fahrt durch den Brennofen präsentieren mögen, eine Ergebnis kann von dem Symposium schon jetzt gesagt werden: Die Keramik-Kunst hat neue Impulse bekommen und kommt damit auf dem Weg ein Stück weiter, auch beim Publikum mehr Beachtung zu finden.

(Harald Raab)