DIE WOCHE vom xxx.1993

Im Salzstadl: figurale Ergebnisse eines Symposiums

Spannende Kunst-Keramik


Die Oberpfalz ist keine Keramik-Kunst-Wüste mehr. Der Beweis ist noch bis Sonntag, 28. November, im Salstadl an der Steinernen Brücke zu sehen. Mit einer Finissage (...) wird die Ausstellug des Keramiksymposiums Ponholz '93 beendet. Was da von der Galerie Brigitte Knyrim und dem Organisator des Symposiums, Hawke Knyrim, präsentiert wird, ist alles andere als das bekannte "Meine Frau töpfert auch"-Ergebnis. Neun Künstlerinnen und Künstler zeigen sehr spannungsreiche, oft genug auch für die Rezeption sperrige Plastiken und Objekte. Keramik ist nicht nur das Gefällige, das nicht Anstoß erregt. Künstlerische Keramik dieser Art hat ein Niveau, das sich neben dem anderer plastischer Kunstschöpfungen ohne weiteres behaupten kann.

Stattgefunden hat das Keramik-Symposium in Ponholz, in einer Halle der Oberpfälzischen Schamotte- und Tonwerke GmbH. Abwasser- und Schornsteinrohre werden dort aus Oberpfälzer Tonen hergestellt. In diesem Ambiente höchst präziser Industriearbeit fanden die Künstlerinnen und Künstler nicht nur Material in Hülle und Fülle und ideale Brennmöglichkeiten, sondern auch interessante Anregungen aus der Praxis.

Ton als Material lässt die Realisierung unterschiedlichsten künstlerischen Wollens zu. So ist die Ausstellung im Salzstadl ein Spiegelbild eines breiten Charakterspektrums. Da begenen sich die "Fuchtler" Professor Klaus Schultzes, zylindrische Körper mit kleinen Köpfen und spinnenhaften Extremitäten, mit den eleganten schlanken Körperformationen einer Angela Stösser. Er, mit der Verspieltheit eines Kindes, leugnet in Textur und Farbgebung das Basismaterial Ton nicht. Sie glasiert und erzeugt edlen Bronzeschein.

Auch (...) die anderen Künstler und Künstlerinnen setzen sich intensiv mit dem Gegebenen auseinander, den Röhren. Schultze schafft große spannend-spielerische Bogenverbindungen, Angela Stösser schneidet auf zu Spiralen und zu einer kongruenten Paarung. Sie sucht die absolute Form. Er materialisiert den schnellen Einfall.

Zum Interessantesten der Ausstellung gehören die wie übergroße Sarkophage anmutenden Plattenreliefs von Hawke Knyrim. Sein Thema ist "Vermessenheit der Messung". In Schamott-Stegen hat er die Umrisse menschlicher Körper ausgespart und das Innere mittels einer Pappe-Ton-Füllung in filigraner Faltung strukturiert. Beim Brennvorgang, bei 1200 Grad, verglüht die Pappe und dünne Keramik-Schichtungen bleiben übrig. Ein bisschen der Chaostheorie ist Knyrim auf der Spur, wie sich da das Material unberechenbar quetscht, faltet. Holzasche, Salze und geschmolzenes Eisenteile hinterlassen Glasur- und Texturelemente - grau, braun und schwefelig gelbe Zonen dazwischen. Da ist etwas von der Entstehung menschlicher Proportionen zu spüren.

Karin Mann hat das Rohmaterial zu Platten geschnitten und aus den einzelnen Teilen turmartige Altäre aufgebaut. Zwei weitere Objekte, eine überdimensionierte Perlenkette und ein walzenförmiges Katzenvieh, weisen afrikanische Kerbschnittflächen auf und zeugen von den Textur-Mustern, denen sich diese Künstlerin verbunden fühlt.

Heiner Wein ist mit einer Sammlung von Rohrköpfen und einer Rohrfigur vertreten. Eine ans Indianische angelehnte Formen- und Zeichensprache kommt hier nicht ohne Witz zum Ausdruck.

Petra Stastna aus Prag hat sich auf dem Symposium am weitesten von der Röhrenform entfernt. Sie hat das Material aufgelöst und zu so etwas wie riesigen Beckenknochen modelliert und mit Kupferengoben die Patina grünlich-grau-gelber Knochen geschaffen.

Ihr Landsmann Vaclav Serak bleibt einer typisch tschechischen Formensprache der Bildenden Kunst treu. Er bricht Scheibenformen auf, zeigt Risse mit ihren surrealen Assoziationsangeboten. Michael Skoda dagegen gibt seinen kompakten Keramikgebilden den Charakter von gebrochenem und geschliffenem Stein.

Nica Haug demonstriert die Verspieltheit Professor Schultzes in turmartigen Figuren, klar, in naiver Formensprache.

(Harald Raab)